Der Prophet Hosea (24) - Hosea 10 – Schuld und Strafe

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I: Ein Weinstock ohne Frucht (V. 1-3)

Die Weissagung Hoseas in Kapitel neun war von Gericht und Gnade gekennzeichnet. Dieselben Kennzeichen liegen auch Kapitel 10 zugrunde, das ebenfalls von Gericht und Gnade zeugt. Die Hauptaussagen des Propheten sind:

  • die Fruchtlosigkeit Israels (V. 1-3);
  • das Ende des Götzendienstes in Israel (V. 4-6);
  • das Ende der nationalen Existenz Israels (Nordreich; V. 7-8);
  • das Verharren Israels in der Sünde (V. 9-11);
  • der Gnadenappell Gottes (V. 12);
  • eine explizite Gerichtsbeschreibung (V. 13-15).

Israels Fruchtlosigkeit

In Kapitel 9 hatte Hosea begonnen, von der Fruchtlosigkeit Israels zu sprechen. Dieses Thema setzt er in Kapitel 10 nun fort. Wiederholt weist er darauf hin, dass Israel ein Volk ohne Frucht ist, obwohl es der Weinstock des Herrn sein sollte, gepflanzt, um Furcht für Gott zu bringen (vgl. Ps 80,9; Jes 5,7). Stattdessen brachte es reichhaltige „Frucht“ zum Götzendienst, sodass es einem wuchernden Weinstock glich, der schlechte Beeren statt Trauben brachte (Hos 10,1; vgl. Jes 5,2).

Der Missbrauch irdischer Segnungen

Von der Fruchtlosigkeit Israels kommt der Prophet auf die Mittel zu sprechen, durch die der Götzendienst, der seit Jerobeam I. fester Bestandteil im Leben des Volkes geworden war, aufrechterhalten wurde. Es waren die göttlichen Segnungen des Landes (Güte des Landes), die dem Zweck entfremdet dem Bauen und Verschönern ihrer Altäre und Bildsäulen dienten: „Nach der Menge seiner Frucht hat er die Altäre vermehrt, nach der Güte seines Landes haben sie die Bildsäulen verschönert“ (Hos 10,1). Auf diese Weise trugen irdische, von Gott gegebene Güter zur Verherrlichung toter Götzen bei. Um das boshafte Handeln des Volkes zu beenden, würde Gott „ihre Altäre zertrümmern“ und „ihre Bildsäulen zerstören“ (Hos 10,2). Zudem würde Er eine politische Anarchie zulassen, unter der kein König Schutz und Sicherheit dem Volk mehr bieten könnte: „Und der König, was wird der für uns tun“ (Hos 10,3)?

II: Das Gotteshaus wird zu einem Götzenhaus: Beth-Awen (V. 4-8)

Die Prophezeiung in den Versen 4-8 weist auf zwei große Ereignisse in der Geschichte Israels hin (10 Stämme), die der Prophet ankündigt:

  1. das Ende ihres Götzendienstes
  2. das Ende ihrer nationalen Existenz

1. Das Ende des Götzendienstes in Israel (V. 4-6.8)

Nachdem Hosea die Zerstörung der Altäre und Bildsäulen vorausgesagt hat (V. 2), kündigt er nun die Hinwegnahme des goldenen Kalbes (Herzstück des Götzendienstes; V. 4-6) und die Vernichtung der Höhen von Beth-Awen an (V. 8). Der Verlust dieser Dinge würde das Ende des jahrhundertelangen Götzenkults in Israel bedeuten. Wie konnte es dazu kommen und was war der Auslöser gewesen?

Der falsche Schwur

„Sie haben eitle Worte geredet, falsch geschworen, Bündnisse geschlossen“ (Hos 10,4). Der letzte in Israel amtierende König Hosea hatte mit Salmaneser, dem König von Assyrien, einen Bund der Unterwerfung geschlossen, während eine Verschwörung mit So, dem König von Ägypten, im Gange war (2. Kön 17,4-6). Diesen offensichtlich falschen Schwur durchschaute Salmaneser, weswegen er einen Rachefeldzug unternahm. Hosea wurde gefangen genommen und Samaria, die Hauptstadt des Zehn-Stämme-Reiches, belagert, die schließlich eingenommen wurde. Dabei wurden das Kalb geraubt (Hos 10,6) und die Höhen von Awen, auf denen geopfert wurde, vernichtet (Hos 10,8). Dieses über Israel wegen des Eidbruchs ausgesprochene Gericht vergleicht der Prophet mit Giftkraut: „So wird das Gericht sprossen wie Giftkraut in den Furchen des Feldes“ (Hos 10,4; vgl. 2. Kön 17,5).

Die Furcht des Volkes

Begleitet wurde der Rachefeldzug Salmaneseres von Furcht im Volk, die nicht ihren Häusern oder Städten, ihren Familien oder Angehörigen galt, sondern einem Götzen: „Die Bewohner von Samaria werden um das Kalb von Beth-Awen bangen“ (Hos 10,5). Erstaunlich! Das Volk sorgte sich um sein Kalb. Damit offenbart Hosea die Liebe und Zuneigung Israels dem Götzendienst gegenüber, sowie die Verdorbenheit ihrer Herzen.

In Vers 5 bezeichnet Hosea „Bethel“ (Gotteshaus) als „Beth-Awen“ (Götzenhaus; vgl. Hos 4,15; 5,8; 10,8). Dieser Ausdruck wird gebraucht, um zu zeigen, was aus dem Gotteshaus geworden war: ein Götzenhaus!

Fazit

Zusammenfassend lassen sich den Versen 1-6 und Vers 8 vier Punkte entnehmen, die zum Ende des Götzendienstes in Israel führten:

  • die Zertrümmerung der Altäre (V. 2)
  • die Zerstörung der Bildsäulen (V. 2)
  • die Hinwegnahme des Kalbes (V. 5)
  • die Vernichtung der Höhen von Beth-Awen  (V. 8)

Exkurs

Jerobeam I. war der erste König im Nordreich. Durch ihn wurde der Synkretismus eingeführt, die Religionsvermischung. In Dan (Norden des Zehn-Stämme-Reichs) und Bethel (Süden des Zehn-Stämme-Reichs) baute er eine Götzenstätte. Dort wurden jeweils goldene Kälber aufgestellt (1. Kön 12,29). Damit wollte Jerobeam I. verhindern, dass die Israeliten des Nordreichs lange Wege zum Tempel nach Jerusalem gehen mussten. Diesen Götzenkult hatte Jerobeam I. wohl aus Ägypten mitgebracht, als er vor Salomo floh (1. Kön 11,40).

2. Das Ende der nationalen Existenz Israels (V. 7.8)

Anknüpfend an die Eroberung Samarias und dem damit verbundenen Ende ihres Götzendienstes kommt der Prophet auf die nationale Existenz Israels zu sprechen, die ebenfalls enden würde: „Dahin ist Samaria und sein König“ (Hos 10,7). Der Ausdruck „Samaria“ umfasst mehr als nur die Hauptstadt Samaria im Zehn-Stämme-Reich. Er steht für die Bewohner des gesamten Nordreichs. Ähnlich verhält es sich mit dem Ausdruck „König“, worin nicht nur ein einzelner Regent, sondern das Königtum als System der Herrschaft in Israel zu verstehen ist.

Die Deportation nach Assyrien

In Vers 6 hatte der Prophet den Verlust des Kalbes vorhergesagt, das als Geschenk nach Assyrien gebracht werden sollte. In Vers 7 weist er nun auf die Deportation der Zehn Stämme und ihres Königs hin, die unter der mächtigen und züchtigenden Hand des Assyrers ebenfalls nach Assyrien verschleppt werden würden, wodurch ihre nationale Existenz ihr Ende fände (vgl. Hos 9,3). Welche Beachtung würde das Volk dann noch finden? Keine! Es würde sein, „wie ein Splitter auf der Fläche des Wassers“ (Hos 10,7) – ohne Wert und Bedeutung.

Somit endete mit der Wegführung Israels im Jahr 722/721 v. Chr. nach Assyrien nicht nur die nationale Existenz Israels (Nordreich). Sie waren von diesem Zeitpunkt an auch ohne Ansehen.

Dieser Zustand ist Teil des Volkes bis heute. Erst mit Beginn des Tausendjährigen Reiches wird es eine Wende geben, unter der das Volk zu seiner nationalen Existenz (aller 12 Stämme) zurückfinden und wieder an Bedeutung gewinnen wird.

Über die Verschleppung Israels und dessen König berichten die Geschichtsbücher des Alten Testaments ausführlich (2. Kön 17,4-6; 18,11.12).

Ein Schreckensruf

Zum Ende des Abschnittes weist der Prophet auf die Schande und Angst hin, die das schuldige Volk in Anbetracht des Gerichts kennzeichnen würden: „Und sie werden zu den Bergen sagen: Bedeckt uns!, und zu den Hügeln: Fallt auf uns“ (Hos 10,8)!

Dieser Ausruf weist zugleich auf eine künftige Zeit hin, in der Juda Gericht empfangen würde. Nicht aufgrund von Götzendienst, sondern aufgrund der Verwerfung des Herrn Jesus, ihres Messias: „Jesus wandte sich aber zu ihnen und sprach: Töchter Jerusalems, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder; denn siehe, Tage kommen, an denen man sagen wird: Glückselig die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren, und die Brüste, die nicht genährt haben! Dann werden sie sagen: Fallt auf uns!, und zu den Hügeln: Bedeckt uns! Denn wenn man dies tut an dem grünen Holz, was wird an dem dürren geschehen?“ (Lk 23,28-31).

Denselben Schreckensruf werden auch die Menschen unter dem sechsten Siegel ausrufen, das durch den Umsturz aller bestehenden Ordnungen in den letzten Tagen beschrieben wird: „Und die Könige der Erde und die Großen und die Obersten und die Reichen und die Starken und jeder Knecht und Freie verbargen sich in die Höhlen und in die Felsen der Berge; und sie sagen zu den Bergen und zu den Felsen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes; denn gekommen ist der große Tag seines Zorns, und wer vermag zu bestehen?“ (Off 6,15.16).

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