Der Prophet Hosea (23) - Hosea 9,10-17: Einst geliebt, jetzt vertrieben

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II: Einst geliebt, jetzt vertrieben (V. 10-17)

Die Wüste: Der einstige Zustand Israels (V. 10)

Nach einer Reihe ernster Gerichtsankündigungen (V. 1-9) hält Gott in Vers 10 Rückschau. Mit Liebe blickt Er auf die frühe Geschichte Israels zurück. Zu dieser Zeit war das Volk für Ihn wie „Trauben in der Wüste“. Es brachte Frucht hervor, an der Er seine Freude und Wonne fand (Frühfrucht; vgl. Jer 2,2): „Ich fand Israel wie Trauben in der Wüste; wie eine Frühfrucht am Feigenbaum, in seinem ersten Trieb, ersah ich eure Väter“ (Hos 9,10). Gott liebte dieses Volk, welches Er erlöst und zu sich gebracht hatte und welches in Gehorsam und Abhängigkeit Ihm gegenüber lebte. 1

Wenig später jedoch vergalt das Volk Gottes Liebe mit Götzendienst, indem es Baal-Peor, einem der widerlichsten Götter des Heidentums, nachlief und sich „der Schande“ weihte (Hos 9,10). Dort praktizierte es die abscheulichsten Gräueltaten des heidnischen Kults. Schnell war die anfängliche Frische verschwunden, in der es Frucht brachte und zu Gottes Ehre lebte. 

4. Mose beschreibt, wie es dazu kam: „Und das Volk fing an zu huren mit den Töchtern Moabs; und diese luden das Volk zu den Opfern ihrer Götter ein, und das Volk aß und beugte sich nieder vor ihren Göttern. Und Israel hängte sich an Baal-Peor; und der Zorn des Herrn entbrannte gegen Israel“ (4. Mo 25,1-3). Angestiftet von der Arglist des bösen Propheten Bileam, der Israel einen Fallstrick legte, wurde das Volk von seinem anfänglich guten Weg in die Irre geführt, sodass es in Hurerei und Götzendienst fiel. Israel wurde fruchtlos und entfernte sich von Gott. Ihre Sünde war in den Augen Gottes so verächtlich, dass sie schweres Gericht traf (4. Mo 31,16.17; vgl. Off 2,14).

Ephraim: Eine blühende Stadt - eine unfruchtbare Frau (V. 11-14)

Nachdem Hosea auf die Geschichte der 12 Stämme Israels zurückgeblickt hat, blickt er nun auf die Geschichte Ephraims zurück. Er vergleicht es mit Tyrus, der einst blühenden und reichen Stadt, die voller Herrlichkeit auf fruchtbarem Land gepflanzt war: „Ephraim, wie ich hinschaute, war ein Tyrus, auf der Weide gepflanzt“ (Hos 9,13). Wie diese Stadt war der Zustand Ephraims zu Beginn seiner Geschichte ebenfalls von Frucht gekennzeichnet. Davon spricht auch die Namensbedeutung dieses Stammes: „doppelte Fruchtbarkeit“, die sich in dem Kindersegen widerspiegelte.

Dann jedoch begann Ephraim von Gott abzuweichen. Es wurde untreu und fiel in Götzendienst, sodass es den Erwartungen Gottes in nichts mehr entsprach. Nun würde es alles verlieren. Daher vergleicht Hosea Ephraim nicht länger mehr mit einer blühenden, fruchtvollen Stadt, sondern mit einer unfruchtbaren Frau, die all ihre Identität, Ehre und Nachkommenschaft im Begriff stand einzubüßen: „Kein Gebären, keine Schwangerschaft und keine Empfängnis“ (Hos 9,11). Trotz „doppelter Fruchtbarkeit“ würde es - wie diese Frau - fruchtlos werden: ohne Nachkommenschaft. So verlor Ephraim in Folge seiner Untreue jeden Anspruch an Segen, den Gott bereit gewesen wäre ihnen zu geben.

Dass Ephraim dennoch Söhne (Nachkommen) zur Welt brachte, ist wahr. Allerdings entsprangen sie der Hurerei. Deshalb sagt der Prophet: „Ephraim muss seine Söhne zum Würger hinausbringen“ – zu Jareb, dem Ausrotter Israels (Hos 9,13; vgl. Hos 10,6). Unter dessen Gericht sollten sie ihr Los empfangen.

Die Untreue Ephraims nötigt den Prophet schließlich, Gericht über sie zu erbitten: „Gib ihnen einen unfruchtbaren Mutterleib und trockene Brüste“ (Hos 9,14). 

Für Christen enthält die Geschichte Ephraims eine wichtige Lektion. Sie spiegelt die traurigen Folgen von Ungehorsam und Unabhängigkeit Gott gegenüber wieder, die dazu führen, dass der Gläubige früher oder später seine praktische Heiligkeit aufgibt, und furchtlos wird. Gott möchte uns jedoch in seiner Gemeinschaft vor Niedergang bewahren und uns in Treue erhalten, dass wir zu seiner Ehre leben und Frucht für Ihn bringen. 

Gilgal (V. 15a)

In Vers 15 erinnert Hosea das Volk an einen dritten Ort (in diesem Kapitel), durch den das ganze Ausmaß der Verdorbenheit Ephraims offenbar wird: „Alle ihre Bosheit ist in Gilgal, denn dort habe ich sie gehasst“ (Hos 9,15).

Gilgal war der Ort, an dem die Schande Ägyptens von ihnen abgewälzt worden war (Jos 5,9). Durch Ephraims Untreue war der Platz der Heiligung nun zu einem Platz geworden, an dem das Fleisch zu herrschen begann. So war Ephraim nicht nur ohne Frucht für Gott. Es hatte auch seine Heiligkeit aufgegeben. 

Heiligkeit heute?

Wie Israel in Gilgal stehen auch wir in Gefahr, das Selbstgericht zu vernachlässigen und unsere praktische Heiligkeit aufzugeben. Deshalb ruft Gott im Neuen Testament vielfach dazu auf, uns zu heiligen (vgl. 1. Pet 1,15; 1. Joh 3,3). Als seine Kinder möchte Er uns seine Liebe im Herzen empfinden lassen und Frucht bewirken. Diese kann jedoch nur hervorgebracht werden, wenn wir in praktischer Heiligkeit leben.

Gericht – ein vierfacher Charakter (V. 15b-17)

Israel hatte seine Heiligkeit aufgegeben. Deshalb würde Gott Gericht über Ephraim bringen. Vier Punkte werden genannt, die das Gericht charakterisieren:

  1. Ohne Haus: „Wegen der Bosheit ihrer Handlungen werde ich sie aus meinem Haus vertreiben“ (Hos 9,15). Gottes Haus geziemt Heiligkeit (Ps 93,5). Israel gab sie auf. Deshalb würde Gott sie hinausstoßen.
  2. Ohne Liebe: „Ich werde sie nicht mehr lieben; alle ihre Fürsten sind Abtrünnige“ (Hos 9,15). Der Ausspruch Gottes „ich werde sie nicht mehr lieben“ bedeutet nicht, dass sich sein Herz oder seine Absicht geändert hätte und Gott seine Liebe nicht mehr erweisen könne. Es bedeutet, dass Er sich nicht mehr öffentlich für sie einsetzen würde. Er würde sie ihren Feinden ausliefern, wie einer, der sie – so wie es aussah – nicht mehr liebte. So würde Er seine Liebe „für eine Zeit“ zurückhalten, bis Er es „willig lieben“ wird (Hos 14,5). Diese „willige“ Liebe wird der Überrest in der Zukunft erfahren.
  3. Ohne Frucht: „Ephraim ist geschlagen: Ihre Wurzel ist verdorrt, sie werden keine Frucht bringen“ (Hos 9,16; vgl. V. 11-14). Ephraim hatte aufgehört, Frucht für Gott zu bringen. Und auch künftig würde es nicht mehr fähig sein, Frucht anzusetzen, da seine Wurzel verdorrt ist: „ihre Wurzel ist verdorrt“! Übrigens: Dieser Ausspruch gleicht dem Fluch, den Jahrhunderte später der Herr Jesus über Juda ausrief: „Und er hob an und sprach zu ihm: Nimmermehr esse jemand Frucht von dir in Ewigkeit… Und als sie frühmorgens vorbeigingen, sahen sie den Feigenbaum verdorrt von den Wurzeln an“ (Mt 11,14.20).2
  4. Ohne Land (Flüchtling): Aufgrund von Untreue würde Gott sie in ein fremdes Land vertreiben, sodass sie Flüchtlinge unter den Nationen sein würden (Hos 9,3.17). Davon hatte Mose bereits warnend gesprochen (5. Mo 28,25.64). 

Fazit

Ephraim war untreu geworden. Weder Frucht noch Heiligkeit war unter ihnen zu erkennen. Stattdessen widmete es sich der Schande (Götzendienst). Deshalb würde Gericht kommen, durch das die Zehn Stämme zerstreut werden würden. Niemand weiß, wo sie sich aktuell befinden. 3  Dennoch wird Gott sie künftig in seiner Allwissenheit sammeln und, was die Treuen betrifft, ins Land der Verheißung und ins Haus des Herrn bringen (vgl. Off 7,4-8; Hes 48; Jes 11,12), wo Ihm Frucht und Anbetung dargebracht werden wird, die Ihm allein gebührt. 

Fußnoten

  • 1 Die Rückschau des Propheten in Vers 10 umfasst ganz Israel. Es ist die Zeit, als die Teilung des Reiches noch bevorstand und die 12 Stämme ihrer praktischen Einheit noch Ausdruck gaben.
  • 2 Dieses Wunder ist das einzige Wunder des Herrn Jesus, das nicht mit Liebe, sondern mit Gericht in Verbindung steht.
  • 3 Henri Rossier sieht in den Flüchtlingen die Stämme Judas. Er schreibt: „…während die Stämme Judas (denn dieses Kapitel handelt abwechselnd von den einen und den anderen) „Flüchtlinge sein sollten unter der Nationen“, wie sie es heute noch sind“ („Betrachtung über das Buch des Propheten Hosea“).
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