Der Prophet Hosea (22) - Hosea 9: Gericht für den Abfall von Gott

Lesezeit: 6 Min.

I: Warnung vor Selbstsicherheit

II: Einst geliebt, jetzt vertrieben

I:  Warnung vor Selbstsicherheit (V. 1-9)

Kapitel neun ist eine Mischung aus liebevollen Zuneigungen (vgl. V. 10) und ernsten Gerichtsandrohungen (vgl. V. 3.6.7.9.11.15). Der Prophet kündigt an, dass Israel:

  • das Haus des Herrn verlassen muss (ohne Haus; Hos 9,15);
  • nicht mehr Gegenstand der Liebe Gottes sein wird (ohne Liebe; Hos 9,15);
  • fruchtlos bleibt (ohne Frucht; Hos 9,16);
  • Flüchtling sein wird unter den Nationen (ohne Land; Hos 9,3.17).

Die Ursache:

  • Götzendienst (geistliche Hurerei, die sie trieben; Hos 9,1).1

Darüber hinaus kündigt der Prophet die Wegnahme (Verlust) von Segen und Vorrechten an, die Israel empfangen und besessen hatte. Davon betroffen sind:

  • die Freude des Volkes (Hos 9,1);
  • die Nahrung des Landes (Hos 9,2);
  • die Annahme ihrer Opfer (Hos 9,4);
  • religiöse Vorrechte, Freiheit, Leben und materielle Güter (Juda; Hos 9,5-7);
  • Fruchtbarkeit (Hos 9,11).

Trotz der Gerichtsandrohungen hat die Liebe dennoch ihren Platz. Das Volk wird an seine Vergangenheit erinnert, an den Ort der Wüste, als Gottes Liebe ihnen uneingeschränkt galt, sie zu seiner Freude lebten und Ihm Frucht brachten (Hos 9,10).

Wegnahme der Freude (V. 1)

Der Prophet beginnt mit der Wegnahme der Freude Israels, als Folge ihrer Abtrünnigkeit (ihres Abfallens; vgl. Hos 8): „Freue dich nicht, Israel, bis zum Frohlocken, wie die Völker“ (Hos 9,1). Völker, die den Herrn nie gekannt hatten, konnten in der Welt ein bestimmtes Maß an Freude erleben. Für Israel war der Genuss von Freude jedoch unmöglich geworden. Sie hatten Gott verlassen und Götzendienst getrieben: „Denn du hast von deinem Gott weg gehurt“ (Hos 9,1).

H.A. Ironside merkt an: „Nachdem sie einmal Gegenstand seiner liebevollen Güte geworden waren, konnten die, denen Er sich als der eine wahre und lebendige Gott offenbart hatte, nie wieder in ihrer Sünde glücklich werden“.2

Dieser Grundsatz gilt jederzeit. Heute können weltlich lebende Christen, die Gott im Herzen aufgegeben haben und sich den Vergnügungen der Welt hingeben, nicht glücklich sein. Es ist wahr, losgelöst von Gott eine gewisse Begeisterung in der Welt finden zu können. Doch mehr als ein zeitlicher Genuss der Sünde ist es nicht (Heb 11,25). Schon gar nicht die Realität einer Freude, von der der Psalmist sagt: „Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar“ (Ps 16,11). Echte Freude ist nur in Gott, im Herrn Jesus, zu finden, in der Gemeinschaft mit Ihm (Joh 15,10. 11; 16,24; 17,13; 1. Joh 1,4).

Hinwegnahme der Nahrung (V. 2.3)

Die Abtrünnigkeit Israels führte auch zur Wegnahme ihrer Nahrung im Land: „Tenne und Kelter werden sie nicht ernähren, und der Most wird sie täuschen“ (Hos 9,2). Im Land ernteten sie Getreide (Frucht der Tenne) und gewannen Most und Wein (Frucht der Kelter). Insbesondere in der Zeit Jerobeams II. erlangte Israel Aufschwung und Wohlstand. Den irdischen Segen missbrauchten sie jedoch zum Feiern von Festen, die in fleischlicher Ausgelassenheit und Unmoral endeten. Vor diesem Hintergrund warnt der Prophet sie vor Selbstsicherheit! Er kündigt an, dass sie bald Unreines äßen in Assyrien, statt die Frucht des Landes (Hos 9,3). Der Schein trügt. Sie dachten, alles für sich in Anspruch nehmen zu können, ohne der Realität ins Auge zu sehen, dass der Richter vor der Tür stand, der sie nach Assyrien verschleppen und ihnen nehmen würde, was sie besaßen. Die Nahrung des Landes sollte durch die unreine Speise Assyriens ersetzt werden. Was für Israel eine Folge des Gerichts war, ist für uns eine Gefahr.

Im Land Kanaan aßen die Israeliten geröstete Körner, die sie aus dem Getreide gewannen (Jos 5,11.12). Wovon sprechen diese? In der Bildersprache des Alten Testaments zeugen die gerösteten Körner von einem verherrlichten Christus im Himmel. Sie waren das Erzeugnis des Landes. Nun spricht das Land Kanaan, so wie es im Buch Josua vorgestellt wird, in seiner neutestamentlichen Bedeutung von den himmlischen Örtern. Dort ist Christus zur Rechten Gottes verherrlicht. Und auch wir dürfen jetzt geistlicherweise schon dort sein (Eph 2,6). Das Essen der gerösteten Körner bedeutet also, dass wir uns von einem verherrlichten Christus nähren, der zur Rechten Gottes in den himmlischen Örtern sitzt (Eph 1,20).3 Dieser Blick nach oben gibt Kraft, und zwar „nach der Macht seiner Herrlichkeit“ (Kol 1,11).

Die Gefahr für uns heute ist, dass wir uns mit der „Speise“ der Welt beschäftigen und ihre Angebote konsumieren und nicht mit einem verherrlichten Christus, der zur Recht Gottes sitzt. Das Leistungsspektrum der Welt ist umfassend und verlockend. Doch vieles, was geboten wird, ist unrein! Diese Gefahr hatte bereits Daniel erkannt, der sich vorgenommen hatte, sich nicht mit der Tafelkost des Königs zu verunreinigen (Dan 1,8). Diese Haltung ist auch heute wichtig. Wir wollen uns mit Christus zur Rechten Gottes beschäftigen (Kol 3,1), statt die Tafelkost dieser Welt zu uns zu nehmen und Unreines essen „in Assyrien“.

Verlust der Annahme ihrer Opfer (V. 4)

In Vers 4 hebt der Prophet den Opferdienst hervor. Dieser diente mittlerweile nur noch dem Selbstzweck. Denn alles, was Israel Gott opferte und von dem es glaubte, Gott geweiht zu haben, brachte es in Wirklichkeit für sich dar: „… denn für ihren Hunger wird ihre Speise sein“ (Hos 9,4). Das Volk opferte dem Herrn Schlachtopfer, um sie selbst zu verzehren (vgl. Hos 8,13). Solche selbstsüchtigen, aus unreinen Herzen hervorgebrachten Opfer, konnten nicht ins „Haus des Herrn“ kommen (Hos 9,4). Ihre Opfer verloren ihre Annahme bei Gott.

Auch dieser Grundsatz gilt jederzeit. Religiöse Werke, die der Befriedigung des Fleisches dienen (Selbstzweck), werden Gott nie wohlgefällig sein. Er wird sie nicht annehmen.

Verlust religiöser Vorrechte, Freiheit, Leben und Besitztum: die Tage der Heimsuchung für Juda (V. 5-7)

In den Versen 5-7 kommt Hosea ohne Überleitung auf Juda zu sprechen. Darin schildert er die Flucht eines Überrests, der nach Ägypten zog, um sich vor der Zerstörung Jerusalems im Jahr 587 v. Chr. in Sicherheit zu bringen, die etwa 150 Jahre nach der Prophezeiung Hoseas stattfand: „Denn siehe, sie sind weggezogen wegen der Zerstörung“ (Hos 9,6).

Ihre Flucht nach Ägypten geschah trotz der Warnung: „Der Herr hat zu euch geredet, ihr Überrest von Juda: Zieht nicht nach Ägypten“ (Jer 42,19)! Dennoch: „Sie zogen nach Ägypten, denn sie hörten nicht auf die Stimme des Herrn“ (Jer 43,7). Dieser Ungehorsam hatte schwere Folgen:

  1. Verlust religiöser Vorrechte: Abgeschnitten in fremden Land könnten sie keinen Gebrauch von ihren religiösen Vorrechten machen, das Passahfest, das Laubhüttenfest, den Versöhnungstag usw. zu feiern (Hos 9,5).
  2. Verlust von Freiheit und Leben: „Ägypten wird sie sammeln, Moph sie begraben“ (Hos 9,6).
  3. Verlust materieller Güter: Ihre wertvollen Besitztümer sollten als Beute an ihre Feinde übergehen: „Ihre Kostbarkeiten an Silber werden die Nesseln in Besitz nehmen, Dornen werden in ihren Zelten sein“ (Hos 9,6).

Jean Muller merkt an: „Dies würde der Tag der Heimsuchung und Bestrafung, der Tag des Gerichts sein – fern von jeder Hinwendung Gottes zu seinem Volk in Gnade“.4

Henri Rossier schreibt: „In Verbindung mit der Wegführung Israels, die schon bald nachher stattfand, kündigt Hosea die Zerstörung der Überreste Judas an, die ungefähr 150 Jahre später eintraf“.5

Hoseas Erfahrungen: Leiden (V. 7.8)

Das boshafte Verhalten des Volkes hatte dazu geführt, dass der Prophet wie von Wahnsinn ergriffen wird: „Der Prophet wird närrisch, der Mann des Geistes wahnsinnig, wegen der Größe deiner Ungerechtigkeit und der großen Feindseligkeit“ (Hos 9,7). Offensichtlich nahm Hosea das ganze Ausmaß der Sünde unter dem Volk in einer Weise war, dass er innerlich darunter litt. Vor allem sah er, wie Gott verunehrt wurde. Das machte ihn „närrisch“.

Der Zustand des Volkes: Gibea – eine Parallele zur Zeit der Richter (V. 9)

In den Versen 9.10 und 15 erinnert der Prophet sie an drei Orte:

  • Gibea – zeigt das Ausmaß der Verdorbenheit (V. 9).
  • Wüste – offenbart die anfängliche Kostbarkeit des Volkes vor Gott (V. 10).
  • Gilgal – Ort der Herrschaft des Fleisches, statt der Beschneidung (V. 15).

Die Verdorbenheit des Volkes setzt der Prophet den Tagen von Gibea gleich: „Tief haben sie sich verdorben wie in den Tagen von Gibea“ (Hos 9,9).6 Zweifellos hatten die hier Angesprochenen die Tage von Gibea vergessen. Aber Gott hatte sie nicht vergessen. Er sah, dass der Eigenwille und die Verderbtheit, die sich in Gibea offenbart hatte, noch immer unter ihnen wütete und nach Demütigung und Selbstgericht verlangte. Das jedoch ignorierten sie, um in Sünde zu verharren. Diese würde Gott im Gericht an ihnen heimsuchen (Hos 9,9).

Israel wog sich in Selbstsicherheit. Sie meinten, losgelöst von Gott Stabilität im Leben zu besitzen und getrennt von Ihm alles genießen zu können, was Er ihnen gab. Doch der Schein trügt. Sie verloren alles. Sowohl Israel als auch (später) Juda.

Fußnoten

  • 1 Es bleibt der Grundsatz bestehen, den wir in Kapitel 8 gesehen haben, dass Götzendienst auf den Ungehorsam gegenüber dem Gesetz zurückzuführen ist. Wäre Israel den Geboten Gottes treu geblieben, wäre es in den abscheulichen Götzendienst nicht gefallen.
  • 2 Notes On The Minor Prophets
  • 3 Die Körner, die das Volk aß, waren „geröstet“. Das weist darauf hin, dass wir uns mit Christus beschäftigen als dem, der nach dem bitteren Tod am Kreuz einen herrlichen Platz im Himmel eingenommen hat.
  • 4 Betrachtung über den Propheten Hosea
  • 5 Betrachtung über das Buch des Propheten Hosea
  • 6 H. Rossier sieht hier weiterhin das Südreich: „In der Tat war das Verderben so groß, das er es mit den „Tagen von Gibea“ vergleicht (denn er befindet sich in diesen Versen auf dem Gebiet der beiden Stämme) und auf die Gräueltat Benjamins anspielt (Ri 19), welche die fast vollständige Ausrottung des Stammes herbeiführte“. (Betrachtung über das Buch des Propheten Hosea) J.N. Darby bezieht das Verderben dagegen auf Ephraim: „Das Verderben Ephraims war so groß wie in den Tagen von Gibea…“ (Synopsis - Jesaja bis Maleachi)
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