Der Prophet Hosea (20) - Hosea 8 – Gericht für den Abfall von Gott

Lesezeit: 6 Min.

I: Ankündigung von Gericht

II: Die Ursache des Gerichts – Abfall von Gott

I:  Ankündigung von Gericht (V. 1-7)

In den Kapiteln 1-7 hatte der Prophet den moralisch gefallenen Zustand Ephraims aufgezeigt, der sich in den ausdrucksstarken Bildern einer Hure, eines Trunkenbolds, einer widerspenstigen Kuh, eines Straßenräubers, einer durchsäuerten Masse, eines nicht umgewendeten Kuchens, einer einfältigen Taube und eines trügerischen Bogens widerspiegelte.

In Kapitel 8 wird die „Bildergalerie“ um zwei Bilder ergänzt. Zudem zeigt Hosea, dass das Volk durch sein moralisches Versagen in nahezu jedem Punkt das Gesetz gebrochen hat und von Gott abgefallen ist. Daher würde sie Gericht  treffen, das der Prophet nun ankündigt (V. 1).

Dass Gott wunderbare Ressourcen der Gnade hat, die noch offenbart werden würden, macht Kapitel 14 deutlich. Aber das Volk würde nur in den Genuss davon kommen, wenn es seine Sünde zugeben und jeden Anspruch auf eigene Verdienste aufgäbe. Das wird jedoch erst in der Zukunft wahr werden, in Verbindung mit dem Überrest in der Drangsalszeit, der zur Erkenntnis seiner Schuld kommen und zu Gott umkehren wird.

Die Gerichtsankündigung (V. 1)

Hosea empfängt den Auftrag, durch einen Posaunenstoß Gericht anzukündigen (Hos 8,1). Dasselbe gilt für Gibea und Rama, wo ebenfalls in die Posaune gestoßen wurde, um „Alarm zu schlagen“ (vgl. Hos 5,8). Die Zeit der Buße ist verstrichen. Die Langmut Gottes zu ihrem Ende gekommen. Israels Verwüstung steht bevor!

Das Gericht

Unvermittelt beschreibt Hosea das Gericht. Es würde über sie kommen, „wie ein Adler stürzt“, d. h. schnell und unaufhaltsam. Gegenstand: „das Haus des Herrn“. Darunter ist nicht der Tempel Salomos zu verstehen, sondern die zehn Stämme Israels, die hier als Haus dargestellt werden – jedenfalls äußerlich.1 Als Beute würden sie in den „Krallen“ des Assyrers nach Assyrien verschleppt werden (vgl. 2. Kön 17,3.23).

Übrigens: Hosea verwendet bei der Ankündigung des Gerichts dieselben Ausdrücke, die der Herr Jesus selbst benutzt, wenn Er das Gericht in der Vollendung des Zeitalters ankündigt: Posaunenschall und Adler (Mt 24,28.31).

Gericht am Haus Gottes heute

In der Gnadenzeit bilden die Erlösten das Haus Gottes (vgl. 1. Pet 2,5; Eph 2; 1. Kor 3,16), das durch zwei Merkmale gekennzeichnet ist: Herrlichkeit (Ps 26,8; Ps 29,9) und Heiligkeit2 (Ps 93,5; Hes 43,12), sowie Ordnung (1. Tim 3,15).

Wenn Böses in der Mitte der Gläubigen offenbar wird und ungerichtet bleibt, greift Gott in seinen Regierungswegen ein: „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes“ (1. Pet 4,17). Das Gericht bezieht sich nicht auf die Ewigkeit, sondern auf die Zeit (Gegenwart) und richtet sich an Gläubige. Davon ist die Versammlung in Korinth ein trauriges aber ernstzunehmendes Beispiel: „Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein gut Teil sind entschlafen“ (1. Kor 11,30). Gott schaut auf sein Haus, ob es seinem Wesen entspricht. Er ist heilig. Dementsprechend muss auch der Zustand seines Hauses sein.

Das Scheinbekenntnis – eine Abwendung noch möglich? (V. 2-3)

Die Gerichtsankündigung Hoseas blieb nicht ohne Reaktion im Volk: „Mein Gott, wir kennen dich, wir, Israel“ (Hos 8,2). Scheinbekenntnisse und falsche Behauptungen sollen das Gericht abwenden. Doch sie sind schlichtweg vergebens: „…, weil sie meinen Bund übertreten und gegen mein Gesetz gefrevelt haben“ (Hos 8,1). Israel hatte das Gesetz gebrochen!

Die Behauptung Gott zu kennen, offenbart das trügerische Herz Ephraims. In Kapitel 5 hatte der Prophet bereits ihre Unkenntnis über Gott zum Ausdruck gebracht: „Und den Herrn kennen sie nicht“ (Hos 5,4).

Auch die Berufung auf „Israel“ würde das angekündigte Gericht nicht abwenden und ihre vielen Gesetzesübertretungen ungeschehen machen können. Zwar möchten sie mit diesem Ausdruck hervorheben, dass sie das von Gott erwählte Volk sind, das in einer Beziehung zu Ihm steht, die durch den Bund besiegelt wurde. Dennoch wiegen alle diese Vorzüge, die das Volk genießt, ihr sündiges Verhalten nicht auf.

Ephraim verwirft Gottes Autorität im politischen Bereich (V. 4a)

Die Verse 4-7 stellen eine Beweisführung dar, dass das Volk:

  1. das Gesetz im politischen wie im religiösen Bereich übertreten hatte und
  2. den Nationen gleichgeworden war.
  1. Hosea beginnt im politischen Bereich: „Sie haben Könige gemacht, aber nicht von mir aus; sie haben Fürsten eingesetzt, und ich wusste es nicht“ (Hos 8,4). Wäre Israel treu geblieben, wäre Gott ihr einziger König gewesen. Doch es wurde untreu und begann eigenwillig und unabhängig von Gott Könige und Fürsten einzusetzen. Diese konnte Gott nicht anerkennen. Denn entweder zählten sie nicht zu den Nachkommen Davids oder sie wurden nicht auf Befehl Gottes eingesetzt, was auf Jehu und dessen Nachkommen übrigens noch zutraf (vgl. 2. Kön 10,30).

Durch die unrechtmäßige und eigenwillige Einsetzung von Königen übertrat Ephraim das Gesetz (5. Mo 17,15), wodurch die Autorität Gottes im politischen Bereich verworfen wurde. Jean Muller merkt an: „Die Verwerfung der Autorität Gottes war Untreue in besonders schwerem Ausmaß.“3

  1. Ihr gesetzloses Handeln führte zur Weltförmigkeit im politischen Bereich. Sie glichen ohne sichtbaren Unterschied den Nationen, die ihre Regenten ebenfalls nach eigenem Gutdünken einsetzen.

Ephraim verwirft Gottes Autorität im religiösen Bereich (V. 4b-6)

  1. Nicht nur im politischen, auch im religiösen Bereich gab es offensichtliches Versagen. Hier bildete der eigenwillige Götzendienst das Übel, durch den Israel das Gesetz übertreten und die Autorität Gottes missachtet hatte.

Diese aus Gottes Sicht schwerwiegende Sünde wurde bereits im Leben Jerobeam I. offenbar, der ein goldenes Kalb in Bethel und in Dan aufrichtete, um dadurch die politische Einheit des Reiches der Zehn Stämme zu besiegeln (1. Kön 12,28.29).

  1. Auch hier gibt es eine Parallele zu den Nationen, die unterschiedslos im Götzendienst lebten.

Übrigens: Das gesamte Übel in Israel ist auf die Untreue gegenüber dem Gesetz und der Autorität Gottes zurückzuführen. Das betrifft die Einsetzung eigener Könige, den Götzendienst, das Aufgeben der Absonderung, die Vermischung, den Niedergang…

Dasselbe Prinzip gilt heute noch. Wenn wir Gottes Wort untreu sind und im Ungehorsam verharren, verwerfen wir – bewusst oder unbewusst – die Autorität Gottes und werden früher oder später weltförmig.

Das Gericht kommt - das Prinzip von Saat und Ernte (V. 7)

Durch sein böses und gesetzloses Verhalten hatte Ephraim „Wind gesät“ (Hos 8,7). Als gerechte Vergeltung würde es „Sturm ernten“ (Hos 8,7; vgl. Hos 10,13; 12,2; Hi 4,8; Spr 22,8).4

Arno C. Gaebelein schreibt: „Nachdem sie Nichtigkeit und Böses gesät hatten, würden sie den Sturmwind der Verwüstung ernten“.5

Der Sturm hier ist ein Ausdruck für Gericht, das durch den Assyrer (Adler) kommen würde. Durch ihn ließ Gott Israel gefangen nehmen und das Kalb Samarias6 vernichten (Hos 8,6).

Im Verlauf des Buches hatte der Prophet mit allen Mitteln versucht, Ephraim zur Umkehr zu bewegen (Flehen, Warnungen …) und sie daran zu hindern, in die Grube der Zerstörung zu fallen (Hos 7,13). Doch alle Bemühungen waren fehlgeschlagen. Nun würden sie ernten, was sie gesät hatten (Gal 6,7.8; vgl. Hab 1,13). Das Gericht würde kommen, die Beziehung beendet und Israel zu „Lo-Ammi“ werden.

In ähnlicher Weise wird es einmal der bekennenden Christenheit ergehen. Israel verwarf das Gesetz, die bekennende Christenheit die Gnade, die in Jesus Christus offenbart worden ist. Henri Rossier bemerkt: „Was anderes als ein Gericht ohne Erbarmen könnte sie ernten, sofern sie nicht Buße tut“.7

Ephraim - Ein Volk ohne Frucht

Das Handeln Israels brachte keine Frucht für Gott: „Halme hat es nicht, das Ausgesprosste bringt kein Mehl“ (Hos 8,7.8). Das Gegenteil wird in der Zukunft der Fall sein. Dann wird der Überrest aus Israel Frucht bringen, an der Gott sein Wohlgefallen finden wird (Hos 14,8).

Wie vollkommen war das im Leben des Herrn Jesus, der Frucht für Gott brachte, wie nie ein Mensch zuvor.

Heute sucht Gott Frucht im Christentum (Joh 15). Er möchte bewirken, dass wir:

  • „mehr Frucht“ (Joh 15,2),
  • „viel Frucht“ (Joh 15,5.8) und
  • „bleibende Frucht“ bringen (Joh 15,16).

Diese Frucht geht aus der Gemeinschaft und dem Gehorsam Christus und seinem Wort gegenüber hervor (durch die Kraft des Geistes; Joh 15,4.7). Dadurch wird der Vater verherrlicht (vgl. Joh 15,8).8

Fußnoten

  • 1 Dass es sich bei dem „Haus des Herrn“ nicht um den Tempel Salomos handeln kann, macht die Tatsache deutlich, dass dieser in Jerusalem stand. Jerusalem zählte zum Stammesgebiet Juda. Da sich das Gericht an die zehn Stämme richtete, würde der Tempel (noch) verschont bleiben.
  • 2 Heiligkeit ist ein Aspekt der Herrlichkeit des Hauses.
  • 3 „Betrachtung über den Propheten Hosea“
  • 4 Das gleiche Bild von Saat und Ernte greift Paulus im Brief an die Galater auf. Dort schreibt er: „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten. Denn wer für sein Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten; wer aber für den Geist sät, wird von dem Geist ewiges Leben ernten“ (Gal 6,7.8). Es handelt sich hier um einen Grundsatz in den Regierungswegen Gottes mit den Menschen. Dieser gilt sowohl für Gläubige wie für Ungläubige.
  • 5 „Concise Commentary on the Whole Bible“
  • 6 D.h. die toten Götzen
  • 7 „Betrachtung über das Buch des Propheten Hosea“
  • 8 Als Gläubige der Gnadenzeit werden wir nicht aufgefordert, das Gesetz zu halten. Dieses war ausschließlich den Juden gegeben, nicht den Nationen. Zwar überführt das Gesetz den Sünder (1. Tim 1,9), ist jedoch nicht der Maßstab des Christen, obwohl er die Rechtsforderungen des Gesetzes „automatisch“ erfüllt, wenn er in der Kraft des Geistes und nach den Gedanken Gottes lebt. Mehr noch: Durch Gottes Gnade wird er über die Erfüllung des Gesetzes hinausgehen und nicht nur nicht stehlen, sondern mit Freude geben (vgl. Eph 4,28)!
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