Der Prophet Hosea (18) – Vermischung mit den Nationen (Hos 7,8-12)

Lesezeit: 6 Min.

II: Vermischung mit den Nationen (V. 8-12)

Vermischung mit den Nachbarvölkern (V. 8)

In den Versen 1-7 hatte der Prophet einen Einblick in das Herz Ephraims gegeben, das religiös und moralisch verdorben war. Nun offenbart er ein weiteres Übel in der Mitte des Volkes: Vermischung mit den Nationen (Hos 7,8).

Ephraim hatte sich mit Ägypten und Assyrien verbunden und deren Lebensweisen, Sitten und Gewohnheiten übernommen (vgl. Hos 7,16; 8,9). Nun prägten diese Nationen ihr Lebensbild und ihren Charakter. Dadurch fiel Ephraim in einen Zustand der Schwäche und Kraftlosigkeit, in der Gott sie nicht mehr gebrauchen konnte, ein Zeugnis auf der Erde zu sein.

Um die Unbrauchbarkeit des Volkes zu verdeutlichen, gebraucht Hosea wieder ein Bild. Diesmal vergleicht er es mit einem Kuchen, „der nicht umgewendet ist“ (Hos 7,8).1 Ein Kuchen, der nicht gewendet ist, hat eine verbrannte Unterseite, während seine Oberseite ungar ist. Er taugt zu nichts, als weggeworfen zu werden. Er ist vollkommen unbrauchbar. Diesen Zustand wies Ephraim auf infolge seiner Vermischung.

Darüber hinaus kann das Bild auch auf die Heuchelei Ephraims angewendet werden. So, wie der Kuchen zwei unterschiedliche Seiten aufwies, war auch das Volk durch zwei unterschiedliche Seiten gekennzeichnet. Im Herzen war es verdorben (religiös wie moralisch; Hos 7,4-7), während es im Leben nach außen hin einen Schein von Frömmigkeit erweckte: im Bringen von Opfergaben (Hos 6,6). Gott sucht Reinheit und Aufrichtigkeit im Herzen. Nur in dieser Haltung kann der Mensch Frucht für Ihn bringen und Ihn verherrlichen. Davon war Ephraim jedoch weit entfernt.

Die Christenheit heute – Vermischung?

Vermischung war nicht nur ein Übel in Israel. Sie trifft heute auch auf weite Teile der Christenheit zu. Henri Rossier bemerkt: „Wie Ephraim, ist auch heute die Christenheit vermischt mit dem Sauerteig der Welt, der die ganze Masse durchsäuert hat. Aber weiß sie mehr als Ephraim? Ist sie zu Gott umgekehrt? Sie meint die Welt verbessern zu können, verkündigt, dass gute Gesellschaft die bösen Sitten verbessert, und weiß nicht, dass gerade die Welt sie verschlingt. Ob man sich rühmt, Protestant oder Katholik zu sein, einer der zahllosen christlichen Gruppen anzugehören, man beweist damit nur die völlige Unkenntnis der Schwäche, in welche die Verbindung mit der Welt uns bringt ... Der Verfall ist eingetreten. Das graue Haar ist auf die heutige Christenheit gesprengt. Ihr Greisenalter neigt sich dem Grab zu, und sie weiß es nicht! Diese Unwissenheit über ihren eigenen Zustand sollte das Gewissen derer überzeugen, denen Gott sich offenbart hat!“2

Folgen der Vermischung (V. 9-12)

Ephraim hatte sich mit den Nationen vermischt und deren Lebensweisen übernommen. Wie konnte es dazu kommen? Hatte Gott sie nicht berufen, abgesondert von allen Völkern zu leben (2. Mo 19,6; 5. Mo 14,2)?

Ephraim hatte seine Absonderung aufgegeben! Infolgedessen vermischten sie sich mit den Völkern der Erde. Die Vermischung zog Folgen nach sich, von denen der Prophet nun einige nennt und anhand derer die Unbrauchbarkeit des Volkes, die bereits in dem Bild des Kuchens zum Ausdruck kam, unterstrichen wird:3

Folgen der Vermischung – eine Abwärtsspirale, die zur Unbrauchbarkeit führt

  • Vermischung: Israel war berufen, getrennt von allen Völkern der Erde zu leben. Dieser Berufung waren sie jedoch nicht nachgekommen. Sie verbanden sich mit den Völkern und vermischten sich mit der Welt. Ein sichtbarer Ausdruck, dass Ephraim seine Absonderung aufgegeben hatte.
  • Geistliche Kraftlosigkeit: „Fremde haben seine Kraft verzehrt“ (Hos 7,9). Vermischung als Folge aufgegebener Absonderung führt immer zum Verlust geistlicher Kraft! Das Ergebnis ist Schwachheit.

Diese Tatsache können wir beispielhaft dem Leben Simsons entnehmen, der ebenfalls seine Absonderung aufgegeben hatte und sich mit den Philistern verband (vgl. Ri 14,1; 16,1.4). Im Schoß Delilas offenbarte er das Geheimnis seiner Kraft, die er daraufhin verlor (Ri 16,17-21). Damit wurde der mächtige Simson zu einem kraftlosen Mann.

  • Geistliche Blindheit: Die Vermischung machte Ephraim für seinen eigenen Zustand blind. Das Volk nahm offensichtlich nicht mehr wahr, dass es kraftlos geworden war: „Und er weiß es nicht“ (Hos 7,9).

Wieder liegt der Vergleich mit Simson auf der Hand, der ebenfalls blind geworden war, nachdem die Philister ihm die Augen ausgestochen hatten (Ri 16,21). Im übertragenen Sinn verlor er die Fähigkeit, seinen aktuell geistlichen Zustand erkennen und beurteilen zu können.

Blindheit ist auch ein Kennzeichen der Christenheit, die meint, reich zu sein: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts“ (Off 3,17). Dagegen hält Gott ihr vor: „Und du weißt nicht, dass du der Elende und Jämmerliche und arm und blind und nackt bist“ (Off 3,17).

Ob Ephraim, Simson oder das Christentum. Die Gefahr aufgegebener Absonderung und Vermischung ist real und aktuell und darf nicht gering geachtet noch unterschätzt werden. Früher oder später wird man „blind“. Man verliert sein geistliches „Sehvermögen“ und die Fähigkeit, den eigenen Zustand erkennen und beurteilen zu können.

  • Niedergang: „Auch ist graues Haar auf sein Haupt gesprengt, und er weiß es nicht“ (Hos 7,9)4. Graues Haar als Kennzeichen des Alters zeugt von körperlichem „Verfall“. Eine treffendes Bild, das der Prophet gebraucht, um den Verfall bzw. Niedergang aufzuzeigen, dem Ephraim entgegenging, den sie ebenfalls nicht wahrnahmen: „Und er weiß es nicht“ (Hos 7,9). Auch an dieser Stelle gibt es eine Parallele im Leben Simsons, die von Niedergang spricht: Er wurde „hinabgeführt“ (Ri 16,21).
  • Hochmut: Trotz Niedergang war Ephraim voller Hochmut: „Und der Stolz Israels zeugt ihm ins Angesicht“ (Hos 7,10). Dabei wäre die einzig angemessene Reaktion hinsichtlich ihres Zustands Demütigung gewesen. Damit hätten sie ihren niedrigen und elenden Zustand zum Ausdruck bringen und sich darunter beugen können. Doch wie schon erwähnt, hatte Israel sein Licht zur Beurteilung seines Zustands verloren. Das wird hier nochmals „unterstrichen“. Sie erkannten ihren Zustand nicht und demütigen sich infolgedessen auch nicht. Stattdessen waren sie voller Stolz. Übrigens: Stolz ist ein Kennzeichen der Welt. Hatte Ephraim die Gesinnung der Welt bereits übernommen?

Geistlich blind und hochmütig sah Ephraim keine Notwendigkeit, zu Gott umzukehren: „und sie kehren nicht um zu dem Herrn, ihrem Gott, und bei all dem suchen sie ihn nicht“ (Hos 7,10). Stattdessen riefen sie die Welt um Hilfe an, sodass Gott sagen lassen muss: „Niemand unter ihnen ruft mich an“ (Hos 7,7).

  • Torheit: Ephraim sah keine Notwendigkeit zu Gott umzukehren (Hos 7,10). Dieses Verhalten veranlasst den Propheten, sie mit einer Taube zu vergleichen, die einfältig ist und keinen Verstand hat.5 Statt sich dem Herrn zuzuwenden, der allein Hilfe und Heilung zu schenken vermag, suchten sie Rettung in der Welt (Ägypten; Hos 7,11). Darin offenbarte sich ihre ganze Torheit.
  • Verlust von Freiheit: Während sie hingehen, um Hilfe in der Welt zu suchen, würde Gott Ephraim fangen: „Sobald sie hingehen, werde ich mein Netz über sie ausbreiten“ (vgl. Hos 7,11.12). Dieses Netz steht als Symbol für Verderben. Der Assyrer würde kommen und sie wegführen.6 Gott gebrauchte ihn wie ein Werkzeug in seiner Hand, um Gericht herbeizuführen. Für Israel würde es dann keine Rettung mehr geben. Auch in eigener Kraft würde es ihnen nicht gelingen, sich zu befreien, um dem Gericht zu entkommen. Für Ephraim würde es das Ende der Freiheit und der Beginn der Gefangenschaft bedeuten (wie in einem Netz).

Wieder denken wir an Simson, der ebenfalls seine Freiheit verlor: „Und sie banden ihn mit ehernen Fesseln, und er musste im Gefängnis mahlen“ (Ri 16,21).

Sowohl Ephraim als auch Simson waren durch die Verbindung mit der Welt unbrauchbar für Gott geworden und ernteten, was sie gesät hatten (Gal 6,7). Die bitteren Folgen (s. Abwärtsspirale) blieben ihnen nicht erspart.

Vermischung – das Aufgeben der Absonderung - Exkurs

Das Thema „Absonderung“ ist damals wie heute wichtig und unersetzlich. Im Allgemeinen umfasst Absonderung zwei Seiten, die zu berücksichtigen sind. Die eine Seite ist die zu Gott gerichtete Seite, bei der man in Gemeinschaft mit Ihm lebt und sich für Ihn hingibt (vgl. 1. Kor 7,35). Wir sind der Stellung nach Heilige und leben demzufolge ein Leben in praktischer Heiligkeit an der Seite des Herrn Jesus (1. Pet 1,2; 1,16). Die andere Seite steht mit der Welt und dem Bösen in Verbindung, von der man sich entschieden trennt (absondert) (2. Kor 6,14 – 7,1).

Wer seine Absonderung aufgibt, verbindet sich einerseits mit der Welt und dem Bösen und gibt andererseits die praktische Gemeinschaft mit Gott und die Hingabe an Ihn auf (mehr und mehr). Kennzeichen wie geistliche Kraftlosigkeit, Blindheit, Niedergang, Hochmut, Torheit usw. stellen sich ein und werden offenbar. Davor möchte Gott uns bewahren, damit wir unseren Wandel in Heiligkeit führen und abgesondert vom Bösen leben, um ein Zeugnis zu sein für Ihn, in einer Welt, die Ihn verwirft.

Fußnoten

  • 1 In Vers 4 hatte der Prophet den „Sauerteig des Götzendienstes“ aufgezeigt (religiöse Verdorbenheit). Vers 8 kann ebenfalls mit dem Gedanken des Sauerteigs verbunden werden: dem „Sauerteig der Vermischung“. Ephraim hätte ein heiliger, dem Herrn geweihter „Kuchen“ sein sollen, ohne jede Form von Sauerteig. Durch die Vermischung mit Ägypten und Assyrien waren sie jedoch zu einem Kuchen geworden, der mit dem „Sauerteig der Nationen“ durchsetzt worden war.
  • 2 „Betrachtung über das Buch des Propheten Hosea“
  • 3 Die Vermischung mit den Nachbarvölkern brachte dem Volk (negativen) Folgen ein. Diese nennt der Prophet in den Versen 8-12. Allerdings sind diese Folgen nicht allein auf die Vermischung zurückzuführen. Die Wurzel allen Übels lag darin, dass das Volk im Herzen (bereits vor der Vermischung) seine wahre Absonderung aufgegeben hatte, als auch seinen Gehorsam dem Gesetz gegenüber.
  • 4 Der Prophet gebraucht das „graue Haar“ als Symbol, das für Verfall steht.
  • 5 Es ist ein Studium wert, die unterschiedlichen Vergleiche aufzusuchen, mit denen der Prophet Israel vergleicht. Allein in diesem Kapitel (7) zieht Hosea vier Vergleiche heran: Israel ist wie ein „Ofen“, wie ein „Kuchen“, wie eine „Taube“ und wie ein „trügerischer Bogen“ (V. 4.8.11.16).
  • 6 Die Gefangennahme erfüllte sich im Jahr 722/721, als Gott den Assyrer erweckte, das Nordreich, die zehn Stämme, nach Assyrien zu deportieren (2. Kön 17,23).
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