Sich übervorteilen lassen

Lesezeit: 3 Min.

Hier liegt zweifellos eine gewisse Schwierigkeit vor, die schon von vielen empfunden worden ist. Sie wird nur von Fall zu Fall und nicht ohne innere Not, gewiss auch nicht nach einem festgelegten Schema zu klären sein. Für den Christen ist das Ertragen zugefügten persönlichen Unrechts eine Grundhaltung, die ihn stets kennzeichnen sollte.

Ertragen ist angesagt

Schriftstellen wie "Rächt nicht euch selbst, Geliebte" (Römer 12, 19) und "Widersteht nicht dem Bösen, sondern wer irgend dich auf deinen rechten Backen schlagen wird, dem biete auch den anderen dar; und dem, der mit dir vor Gericht gehen und deinen Leibrock nehmen will, dem lass auch den Mantel" (Matthäus 5, 39.40) weisen in dieselbe Richtung wie 1. Korinther 6, Vers 7. Von unserem großen Vorbild, dem Herrn Jesus, wird in 1. Petrus 2 gesagt: „Der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der recht richtet" (Vers 23).

Das Einnehmen dieser Grundeinstellung schließt jedoch nicht aus, dass wir -wenn die Natur des Falles es erfordert - dem Gedanken nähertreten müssen, ob wir nicht im Sinne von Matthäus 18 zu dem Bruder, der gegen uns gesündigt hat, hingehen müssen, um ihn von dem Bösen zu "überführen". Unmöglich kann er ja in dem Zustand, in dem er sich befindet, wirklich glücklich sein.

Überführen ist kein Recht verschaffen!

Doch dieses Überführen hat nichts damit zu tun, dass man sich Recht verschaffen möchte, sondern es hat das Gewinnen des Bruders zum Ziel (Vers 15). Die Korinther stritten dagegen um ihre Rechte und gingen damit sogar vor die weltlichen Gerichte. Diese Verhaltensweise muss der Apostel ernstlich tadeln; und er tut das dadurch, dass er ihnen die christliche Grundhaltung vorstellt: "Warum lasst ihr euch nicht lieber unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen (oder: berauben)?"

Solange man um sein vermeintliches Recht kämpft, ist man durchaus nicht in der Lage, den Bruder zu "gewinnen"; ja, es erheben sich Zweifel darüber, ob dann überhaupt ein Fall von "Sünde gegen den Bruder" vorliegt. Aber selbst wenn wir von derartigen Gefühlen persönlicher Rechtfertigung frei sind, müssen wir sorgsam prüfen, ob es sich wirklich um einen Fall von Sünde gegen uns handelt.

Gnade ist nötig

Wie leicht täuschen wir uns in dieser Beziehung! Manches beruht auf reinen Annahmen oder Vermutungen. Auch wird es m. E. viele Vorkommnisse geben, die, obwohl sie nicht gut waren, wegen ihrer Geringfügigkeit von uns nicht hochgespielt werden sollten. Solche Dinge sollten wir mit Langmut ertragen (Kol 3, 12). Wann und wo im Einzelfall die Grenze erreicht ist, dass man eben doch einen Dienst der "Fußwaschung" nach Johannes 13 ins Auge fassen muss, kann uns nur unser guter Herr und Meister selbst klarmachen. Wenn unsere Beweggründe lauter sind, wird Er es uns an der nötigen Klarheit, Weisheit und Kraft nicht fehlen lassen, sondern nächst dem Wollen auch das Vollbringen schenken (vgl. Phil 2, 13).

Beitrag teilen

Verwandte Artikel

Tiere der Bibel - Der Storch Stefan Drüeke Kennst du deine Zeiten? Der Storch kennt sie. Gott hat den Weiß- und den Schwarzstorch so genial ausgestattet, dass sie die Thermik nutzen können, um im Gleitflug nach Afrika zu ziehen. Sie wissen genau, wann sie losfliegen müssen. Hiob spricht ... Video ansehen
Satan - gefährlich, harmlos, oder besiegt? Michael Hardt Wie kann es sein, dass Satan laut Bibel ein besiegter Feind ist? Er ist doch mächtig und höchst aktiv! Jeden Tag lesen wir Schlagzeilen von Krieg, Folterung, Missbrauch, Mord, Vergewaltigung und vieler Dinge mehr. Die Antwort ist: Beides ist wahr. ... Video ansehen
Gibt es den Teufel wirklich? Nur jeder Sechste glaubt daran! Manuel Seibel Gibt es den Teufel wirklich? Viele Menschen glauben nicht mehr daran. Erschütternd, dass es auch im sogenannt christlich-freikirchlichen Bereich viele gibt, die das für einen Mythos halten ... Mit dieser Methode schafft es der Feind, von sich ... Podcast anhören
Goldene Äpfel in silbernen Prunkgeräten - wahre Herzensgröße John Nelson Darby Der Apostel kommt in 2. Korinther 7 ab Vers 2 auf seine eigenen Beziehungen zu den Korinthern zurück - Beziehungen, die durch das Wort seines Dienstes gebildet worden waren. Artikel lesen
Instrumentabegleitung im Gottesdienst Manuel Seibel Immer wieder beschäftigt Christen die Frage, ob sie in den Gottesdiensten mit Instrumenten arbeiten sollen. Zumindest die Lieder können doch mit Instrumenten begleitet werden, oder? Einen möglichen Hinweis auf diese Frage könnte das in 1. ... Artikel lesen
Gott lässt sich nicht spotten – auch nicht von Stephen Fry Manuel Seibel Vor einiger Zeit erdreistete sich der britische Schauspieler und Autor, Stephen Fry, in aller Öffentlichkeit Gott zu lästern. Menschen übersehen, dass sich Gott nicht spotten lässt. Nicht ungestraft! Artikel lesen